Donnerstag, 26. Dezember 2024
die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt
Alexander schenkte mir "Der Fremde" von Albert Camus zu Geburtstag (rororo; 87.Auflage, Dez 2024; 159 Seiten). Da wir gerade Besuch haben, bot es sich an, es gleich zu lesen.

Die Geschichte spielt in Algerien in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts und handelt von einem jungen Franzosen namens Meursault. Wenn er sich nicht in seinem Zimmer langweilt, dann geniest er das Leben am Strand oder im Kino. Es kommen verschiedene Menschen aus seinem Umfeld vor. Salamano etwa beschimpft seinen Spaniel permanent mit "Du Biest! Du Aas!". Der Erzähler läßt sich auf seinen etwas zwielichtigen Nachbarn Raymond ein. Der hat wiederum Ärger mit einigen "Arabern" und, um es kurz zu fassen, der Erzähler erschießt einen von ihnen. Das passiert ungefähr in der Mitte des Buches. Die zweite Hälfte besteht dann im Wesentlichen aus der Verhandlung, in der Meursault alle Gleichgültigkeiten aus der ersten Hälfte vorgehalten werden.

In der gesamten Geschichte ist ihm immer wieder alles mögliche egal. Im letzten Kapitel wird diese Gleichgültigkeit dann mehr und mehr ausgeweitet. Es ist egal, ob er jetzt stirbt oder in der Zukunft. Irgendwann, so scheint es, ist es egal, ob es ihn überhaupt gibt oder nicht. "jeder weiß, daß das Leben nicht lebenswert ist" (S.148).

Insgesamt hat es mir gefallen. Anfangs war ich zwar etwas skeptisch, aber es ist fesselnd geschrieben und man merkt, daß sich etwas anbahnt. In der zweiten Hälfte bleibt es spannend, weil man wissen will, wie es ausgeht. Dabei hat Camus wieder interessante Wendungen auf Lager.
Es erinnert mich ein bißchen an Homo Faber, kann aber nicht so genau sagen, warum (vielleicht wegen der Erzählperspektive). Außerdem an Ionesco (vielleicht wegen der Schilderung der Bürotätigkeit).

Es läßt sich gut lesen, aber sprachlich gefiel es mir nicht so sehr ("ich habe dies getan, ich habe das getan"). ich weiß nicht, ob der Stil Absicht war, oder schlecht übersetzt.

Die Frauen spielen wieder nur Nebenrollen. Außer seiner Freundin, die dabei eine Nebenrolle bleibt, kommt kaum eine andere Frau vor. "Araber" werden in einer Art und Weise dargestellt, die nicht mehr zeitgemäß ist.

Irgendwie finde ich, daß die Menschen früher bessere Geschichten geschrieben haben, als die, die man heute so zeitgenössisch liest.

"Der Fremde" war nur ein Einschub und eigentlich lese ich zwei andere Bücher. Eines davon hatte ich nur begonnen und ich werde wohl von vorne anfangen müssen.


Hashtag: Literaturquadrat.