Dienstag, 2. November 2021
Popel
Uli aus meiner Clique hatte drei Geschwister. Genauer gesagt waren die Eltern evangelische Pfarrer und Religionslehrer. Jedenfalls war einer seiner Brüder adoptiert und ein Problemkind. SIe nannten ihn Popel. Er war Skinhead und ständig im Heim oder so. Jedenfalls hatte ich als Punk naturgemäß Respekt vor ihm und bin ihm zum Glück nie begegnet. Randbemerkung: Das war noch die Zeit in der Skins und Nazis äquivalent waren. Es fing erst später mit Sharp, Red, Oi-Skins, etc an.

Jahre später war ich dann mal wieder in der Stadt und Popel besucht auch gerade Uli. Ich wollte weltoffen und tolerant sein - zu dem Zeitpunkt sah er kaum noch wie ein Skin aus - also zogen wir gemeinsam los. Wir hingen einen Moment am Brunnen ab als ein Typ vorbeikam und nach Papers fragte. Popel gab ihm welche. Daraufhin revanchierte der Typ sich mit einem Piece (geschätze in der Größe eines 2DM-Stücks und 5mm dick) und meinte nur "eine Hand wäscht die andere" oder sowas. Popel hatte als Skinhead gewisse Wertvorstellungen und war entsprechend jungfräulich was das Kiffen anging.

Wir gingen also zum Heidentürmchen. Das ist eine kleine historische Struktur mit einer Treppe und oben einer Mauer (in der Nähe des Doms), wo man auch ganz gut abhängen konnte. In dem Moment als wir anfingen zu bauen, kreuzten zwei Typen auf - und wir verharrten in Schockstarre, irgendwie mit dem Körper den Work-in-Progress verdeckend. Es muß lustig ausgesehen haben wie wir vier dort standen und uns weder regten noch sprachen. Die beiden sind dann irgendwann abgezogen. Offensichtlich waren es Polizisten in Zivil. Weil das Heidentürmchen so gut zum abhängen war, taten das die jungen Menschen, was wiederum die Polizei auf den Plan rief.

Wir zogen irgendwann weiter und ich weiß nicht mehr viel, außer daß wir noch ein Hippiehaus aufsuchten. Es waren mehrere Geschwister, aber das Haus sah auch sonst aus, wie man es sich vorstellt. Keine Ahnung, wie wir dort hinkamen - vermutlich trafen wir jemanden der/die uns eingeladen haben.

Popel wurde dann zum Kiffer. Sozusagen von einem Extrem zum anderen (Kiffen macht harmlos). Mir taten die Eltern leid und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ja auch nicht als schlechter Umgang gelten wollte. Uli war übrigens in Mathe und Physik immer ein bißchen besser als ich. Was aus ihm geworden ist, weiß ich allerdings nicht (wahrscheinlich was mit Computer).