Dienstag, 11. November 2025
Labatut
Heute möchte ich ein Buch vorstellen, das mir ein Gast an unserem Institut schenkte.

Das Blinde Licht – Die Irrfahrten der Wissenschaft
Benjamín Labatut
Aus dem Spanischen von Thomas Brovot
suhrkamp taschenbuch 5152
3. Auflage 2024 (erste Auflage 2021)
204 Seiten

Wie der Titel vermuten läßt, geht es um Wissenschaft. Und zwar werden in sechs lose verknüpften Teilen Wissenschaftler, vor allem aus der Chemie, Mathematik und Physik, und ihr Wirken dargelegt. Aus der Physik wären beispielsweise Schwarzschild, Schrödinger oder Heisenberg zu nennen.

Von den Fakten ausgehend erzählt der Autor ihre Geschichten und erinnert damit bisweilen an Kehlmann, mit dem Unterschied daß bei letzterem die Charaktere kauziger und deswegen lustiger sind. Die Professoren bei Labatut erfüllen Klischees, sind manisch und haben ihre Einfälle im Rausch oder Fieberwahn. Und damit sind wir auch bei dem Problem. Wie bei Kehlmann weiß man nach der Lektüre nicht, was nun wahr (d.h. belegt) und was Fiktion ist. Wohl gemerkt ist es keine Science Fiction, weil ja nur die (menschlichen) Teile zwischen Fakten fiktiv sind und nicht die Wissenschaft selbst.

Der erste Teil "Preußischblau" enthält laut Danksagung nur einen erfunden Absatz, es ist aber auch der krasseste Teil und verdeutlicht die Verantwortung der Wissenschaftler (ein Zitat: "… eine Warnung vor dem blinden Fortschritt in der Wissenschaft, der gefährlichsten aller menschlicher Künste." ; S.20). Darin wird auch Turing und sein vergifteter Apfel genannt. Auch über Schrödinger und seine Zuneigung zu heranwachsenden Mädchen hatte ich schon gepostet. Sie nimmt in dem längsten Teil viel Raum ein.

Die Entdeckungsgeschichte der Quantenmechanik, vor allem das soziale Gefüge der Menschen dahinter, ist gut dargelegt. Allerdings hätte ein sachlicher Aufsatz wahrscheinlich bessere Dienste geleistet – auf Kosten der Unterhaltung natürlich.

Irgendwie hatte ich am Ende eine Überraschung oder Wendung erwartet, die es aber nicht gab (oder ich habe sie überlesen). So gesehen hätten die 6 Teile auch getrennt veröffentlicht werden können. Zudem waren für mich - wegen der Namen - einige Sachen vorhersehbar, vor allem die Schrödinger-Gleichung oder die Heisenbergsche Unschärferelation. Überraschend war Grothendieck, von dem ich vorher noch gar nichts gehört hatte.

Abschießendes Urteil: Das Buch ist gut geschrieben, unterhaltsam und fesselnd. Für Laien können die wissenschaftlichen Teile eine gewisse Faszination hervorrufen. Für Wissenschaftler kann das Buch funktionieren, wenn sie kein Problem damit haben, möglicherweise einen falsches Eindruck der Charaktere zu gewinnen.

Diese Rezension vom Deutschlandfunk ist natürlich viel besser.


Hashtag: Literaturquadrat.

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