Dienstag, 18. Juni 2024
Tost
Mein inoffizieller Großvater ist ja in Buchenwald gestorben. Genauer gesagt, im Speziallager Nr. 2 Buchenwald, das die Russen nach dem 2.Weltkrieg betrieben.

Es gibt eine Reihe von Büchern, in denen Überlebende ihre Erfahrungen schildern. Inzwischen habe ich das zweite derartige gelesen.

Was aus dem Dunklen leuchtet - Autobiografie 1929-1953. Erster Teil
von Schreiber, Peter (Mitarbeit: Püschel, Gerd)
Gebunden, Osburg (2022)
327 Seiten

Der Autor wuchs in Dresden bzw. der Umgebung auf. Unter den Nazis war er im Jungvolk aktiv. Er erlebte die Bombardierung Dresdens. Gegen Ende des Krieges wurde er als Werwolf ausgebildet. Die Russen verhafteten ihn dann (als er 15 war) und er verbrachte 5 Jahre in entsprechenden Speziallagern. Die Hälfte des Buches handelt von der Zeit in den Lagern. Die Bedingungen waren katastrophal, so daß ein großer Teil der Gefangenen verstorben ist.

"Die meisten Gefangenen waren zivile Funktionsträger des untergegangenen Regimes. Block- und Zellenleiter, Ortsgruppenleiter wurden ohne weitere Begründungen inhaftiert, aber auch Polizeiangehörige, zivile Gestapo-Mitarbeiter, Bauern, die sich der Kollektivierung widersetzten, Großbauern, die mehr als hundert Hektar Land besaßen, Zeitungsredakteure, konservative Politiker und Besitzer von Betrieben, in denen Zwangsarbeiter misshandelt worden waren." (S.288)

Die Familie des Autors waren Mitläufer. Dh sie haben in gewisser Weise eine Rolle in dem System gefunden und davon profitiert, beteiligten sich aber nicht aktiv an Nazi-Verbrechen.

Das Genre der Speziallager hat zwei Probleme.
- Die Autobiografen stellen sich unschuldig dar. Auch wenn Autor plausibel macht, daß er nichts Schlimmes verbrochen hat, bleibt dennoch ein Restverdacht, ob da nicht vielleicht doch etwas war, daß er nicht aufschreiben würde oder sogar verdrängt hat.
- Implizit schwingt der Vorwurf mit, wie grausam die Russen waren. Als Leser war ich aber immer geneigt, Vergleiche zu den Konzentrationslagern der Deutschen zu ziehen. Ein Vergleich, der sich verbietet.

Das Buch ist in Zusammenarbeit mit einem Journalisten(?) entstanden und es liest sich gut. Ich glaube zu erkennen, welche Teile von wem stammen. Die Passagen, die eher anekdotischen Charakter haben, stammen vermutlich von Schreiber und die Überleitungen eher von Püschel.

Der Autor hat ja schon ein stattliches Alter erreicht (Jahrgang 1929). Bisher konnte ich den zweiten Teil noch nicht finden.


Hashtag: Literaturquadrat.

... link