Sonntag, 2. Februar 2025
Turing
Auf das Buch

Alan M. Turing – Centenary Edition
Sara Turing
Cambridge University Press
1959, 2012
978-1-107-52422-4

bin ich irgendwo in den sozialen Medien aufmerksam geworden und habe es mir dann zu Weihnachten schenken lassen. Inzwischen konnte ich die Lektüre abgeschließen und möchte wie immer ein paar Gedanken im Literaturquadrat notieren.

Alan Turing verstarb früh und seine Mutter schrieb die Biographie. Das ist ungewöhnlich, weil normalerweise die Nachfahren als Chronisten wirken. Diese Situation spiegelt sich allerdings im Buch wieder, denn es liest sich wie man es erwarten würde, wenn eine Mutter über ihren Sohn schreibt. Das ist natürlich im höchsten Maße subjektiv. Es enthält aber trotzdem ein paar interessante Dinge und man bekommt ein Gefühl dafür, was Turing für ein Mensch war.

Neben biographischen Details, die Autorin beginnt sogar mit der Genealogie, erfährt man viel über seine Eigentümlichkeiten. Man kann sich ihn wie so einen richtigen schrägen Wissenschaftler vorstellen.

Interessant ist, daß er seine Arbeit, die man heute unter dem Begriff Turing-Maschine kennt, bereits vor seiner Promotion verfaßte ("On Computable Numbers, with an Application to the Entscheidungsproblem"). Das erinnert mich an Untersuchen, denen zufolge, die wichtigste Publikation jeder Zeit innerhalb der Karriere erscheinen kann.

Was Turing angeht, er scheint tatsächlich genial gewesen zu sein. Ich muß dabei weniger an Stefan Superschlau denken, als mehr an Hightower. Letzterer konnte die Hausaufgaben immer auf einer viertel Seite formulieren – um die Zwischenschritte auszuführen waren dann oft mehrere Seite nötig. So ähnlich hat die Autorin das bei Turing auch dargestellt. Mit seinen Eigentümlichkeiten kann man sich Turing vielleicht wie eine Mischung aus Hightower und Jan Kantanplan vorstellen.

Eines von Turings Betätigungsfelder war die Konstruktion bzw. Programmierung von frühen Computern – also noch vor dem Transistor, wenn ich das richtig überblicke. Das erinnerte mich an Leibniz, der ja vergeblich versucht hatte, eine Rechenmaschine zu bauen. Natürlich gehen die Möglichkeiten eines Computers über die einer Rechenmaschine hinaus, dennoch scheint es ein lang gehegter Traum der Menschen gewesen zu sein, sowas zu bauen (was für uns heute das natürlichste auf der Welt ist).

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Bisher habe ich den ersten, biographischen Teil beschrieben. Im zweiten Teil wird es etwas fachlicher und es taucht auch die eine oder andere Formel auf. Ganz interessant ist vielleicht noch, daß Turing auch einen frühen Beitrag geleistet hat zu dem was man heute unter Reaktionsdiffusionsgleichung versteht.

Der zweite Teil enthält auch einen Text des Bruders John Turing. Der schreibt ein paar Dinge, die die Mutter nicht erwähnt hatte. Sie schrieb, daß Turing während des Krieges sinngemäß an einem geheim Projekt gearbeitet hatte. Sein Bruder schreibt dann explizit, daß es um die Entschlüsselung der Enigma ging. Außerdem schreibt er klar, daß Turing homosexuell war.

Große Unklarheit betrifft Turings Tod. Die Mutter geht von einem Unfall aus und führt an, daß er mit Chemikalien experimentiert hatte und sich versehentlich vergiftet habe. Als Argumente, die gegen einen Suizid sprechen, führt sie auf, daß es kein Abschiedsschreiben gab und daß viele Dinge im Haus auf Zukunftspläne hindeuten (Termin, Briefe). Der Bruder schreibt sehr klar, daß es ein Suizid gewesen sei und bringt auch die Homosexualität in Verbindung, die damals ja verboten war. Auf wikipedia findet man noch mehr Spekulationen zum Tod. Eine Hypothese besagt, daß sich Turing selbst wie Schneewittchen drapiert habe (auf seinem Nachttisch lag ein angebissener Apfel).

Insgesamt eine dann doch ganz interessante Lektüre, vor allem in Kombination mit dem Text des Bruders. Die fachlichen Abschnitte fand ich nicht so zugänglich.


Hashtag: Literaturquadrat.